Der Verlorene
Der Arzt diagnostizierte Überanstrengung und verordnete ihr eine Kur. Die Kur dauerte mehrere Wochen, und an den Wochenenden besuchte der Vater die Mutter in der Kurklinik, während ich das Haus hüten durfte.
Nach einem dieser Besuche teilte der Vater mir mit, daß es der Mutter wohl besser-, aber noch lange nicht gutgehe. Ein Grund ihrer Erkrankung seien gewiß die mit dem Umbau verbundenen Anstrengungen. Der wahre
Grund (1)aber sei, daß sie über den Verlust meines Bruders Arnold nicht hinwegkomme. Zugleich, so der Vater, habe sie den Eindruck, daß ich hingegen sehr wohl über den Verlust(2) meines Bruders hinweggekommen sei. Ich sei so gut über den Verlust hinweggekommen, daß sich die Mutter
viele Jahre nicht getraut habe, mir die Wahrheit über Arnold zu sagen. Daraufhin sagte ich dem Vater, daß mir die Mutter schon längst die Wahrheit gesagt habe. „Arnold“, sagte ich, „ist gar nicht verhungert, Arnold ist verlorengegangen.“ Als der Vater nicht reagierte, sagte ich noch
einmal: „Arnold ist gar nicht verhungert. Arnold ist verlorengegangen.“ Der
Vater reagierte noch immer nicht und schien irgendwelchen Gedanken
nachzusinnen. Vielleicht hätte ich ihm auch noch sagen sollen, daß ich
gar keinen Verlust verspürt hatte. Schließlich hatte ich ja auch niemanden
verloren. Ich hatte nur erfahren, daß die Eltern jemanden verloren und
doch nicht verloren hatten. Und als ich erfahren hatte, daß Arnold nicht
verhungert, sondern nur verlorengegangen sei, hätte ich höchstens
insofern einen Verlust erlitten, als ich nun gewissermaßen einen toten und
zumal einen auf der Flucht vor dem Russen gestorbenen Bruder verloren
hatte. Statt des toten hatte ich nun einen verlorengegangenen Bruder.
Das war für mich allerdings kein Gewinn. Doch wie sollte ich das dem
Vater erklären. Und noch ehe ich weiter darüber nachdenken konnte,
sagte der Vater: „Wir suchen ihn.“ „Wen?“ sagte ich. „Arnold“, sagte der
Vater, ohne zu bemerken, wie unsinnig meine Frage war. „Seit Jahren
schon.“ Daraufhin sagte ich nichts mehr, so daß der Vater mir erklären
konnte, daß er und die Mutter schon viele Jahre mit Hilfe des
Suchdienstes des Roten Kreuzes auf der Suche nach Arnold seien, daß
sie mich aber damit nicht hatten belasten wollen. Nun jedoch, nach so
vielen Jahren, hätten sie jemanden gefunden, bei dem es sich um Arnold
Het volgende fragment komt uit Der Verlorene van Hans-Ulrich Treichel.
Centraal daarin staat een gezin, dat na de Tweede Wereldoorlog
verdreven is uit voormalig Duits gebied en een nieuw bestaan wil
opbouwen in West-Duitsland. Op hun vlucht voor Russische soldaten is de
oudste zoon van het gezin (Arnold) verdwenen. Het verhaal wordt verteld
vanuit het perspectief van de jongere broer. VW-1004-a-19-2-b 11 / 16 lees verder ►►►
handeln könnte. „Ihr habt ihn gefunden?“ fragte ich, und noch während ich
die Frage stellte, spürte ich, daß sich die alte Übelkeit wieder einstellte.
„Vielleicht“, sagte der Vater. „Es ist nicht sicher. Um ganz sicher zu sein,
brauchen wir deine Hilfe!“